Liebesgruppe, 1913-1915

Bronze, h 710 x b 472 x t 483,5 mm, Seeler 13.II.B.9.

Käthe Kollwitz, Liebesgruppe, 1913-15, Bronze, Seeler 13.II.B.9.

Käthe Kollwitz entwickelt dieses Bildwerk vermutlich in drei Versionen vom Sommer 1912 bis Anfang 1915. Ein historisches Photo belegt eine der Vorgänger-Fassungen, die sie im Winter 1912/1913 als freie Vergrößerung eines ersten im Sommer 1912 entstandenen Entwurfs erstellt hat. Ende 1915 schließt sie die Arbeit ab und stellt im Frühjahr 1916 den Gips der endgültigen Version der Plastik unter dem Titel »Liebespaar« als erste der bis dahin geschaffenen dreidimensionalen Formationen in der Berliner Freien Secession aus.

Kollwitz selbst erlebt diese Premiere als Desaster, obwohl die Kritik eher milde mit ihr umgeht. Im Zusammenhang mit dieser Enttäuschung notiert die Künstlerin 1916 im Tagebuch programmatisch:

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Es ist richtig, daß sie durchfällt. Warum? Sie ist nicht populär. Der Durchschnittsbeschauer versteht sie nicht. Kunst für den Durchschnittsbeschauer braucht nicht flach zu sein. Sie wird ihm noch gefallen auch wenn sie platt ist. Sicher aber wird ihm wahre Kunst gefallen, die einfach ist.
Es ist ganz meine Meinung, daß zwischen Künstler und Volk Verständnis sein muß [...]«

Käthe Kollwitz, Tagebücher, 21. Februar 1916

Tatsächlich überlagern sich in der »Liebesgruppe« mehrere Sinnschichten. Denn in der Konstellation zweier Figuren, bei der die eine der anderen auf dem Schoß sitzt, tauschen in ihren Graphiken sozusagen die den Gestalten zugewiesenen Bedeutungen immer wieder die Plätze. Mal hat eine Mutter ein totes Kind auf dem Schoß, mal ist es der personifizierte Tod, der ein Mädchen hält – und dann sind es auch wieder ganz traditionell zwei Liebende, die sich in dieser Haltung einander zuwenden. Eros, der Gott der Liebe, und Thanatos, der Gott des Todes, scheinen hier gleichermaßen auf.

Wenn in der plastischen Gruppe die größere Gestalt, deren Antlitz verborgen bleibt, mit ihrer Hand aus der ungeformten Masse heraus den Kopf der kleineren, wie schlafend wirkenden Figur umfasst, als modelliere sie ihn zärtlich, dann lässt das an das Wirken von Eros denken, das neues Leben hervorbringt. Ebenso gut könnte aber die leblos anmutende kleinere Figur auch sanft vom Tod umfangen sein.

Diese Mehrdeutigkeit trug dazu bei, dass die Gruppe in den 1950er, als ihr Entstehungshintergrund vergessen war, oft als »Frau mit totem Kind« betitelt wurde.

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