Das Grabrelief für Franz Levy

Fernab der Innenstadt, im Westen Kölns, liegt der Jüdische Friedhof Bocklemünd. Nur wenigen ist bekannt, dass sich hier ein Werk von Käthe Kollwitz befindet. Es handelt sich um ein Relief für den Grabstein der Eheleute Franz und Doris Levy.

Käthe Kollwitz, Grabstein mit Relief für Franz Levy, 1938, Marmor, 80 x 150 cm, ausgeführt von Franz Bursch nach dem Modell der Künstlerin, Foto: Lynn Busch 2022 © Käthe Kollwitz Museum Köln
Käthe Kollwitz, Grabstein mit Relief für Franz Levy, 1938, Marmor, 80 x 150 cm, ausgeführt von Franz Bursch nach dem Modell der Künstlerin

»... das unlösbare Zusammengehörigkeitsgefühl ...«

Das schlichte Grabmal aus weißem Marmor befindet sich im hinteren Teil des Friedhofs - eines von rund 6500 Gräbern. Von seiner ansonsten glatten Oberfläche hebt sich das überaus plastisch gestaltete Motiv der sich fassenden Hände eindrücklich ab.

Käthe Kollwitz fertigt dieses Relief im Jahr 1938 auf Wunsch von Doris Levy für ihren ein Jahr zuvor gestorbenen Ehemann Franz Levy an. Er gehörte zum Vorstand des in Köln ansässigen Warenhauskonzerns Leonhard Tietz AG (1933 umbenannt in Westdeutsche Kaufhaus AG und heute als Galeria Karstadt Kaufhof bekannt), muss 1934 jedoch aufgrund seiner jüdischen Herkunft aus dem Vorstand des Unternehmens ausscheiden und gründet eine eigene Wirtschaftsberatungsfirma.

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Eine jüdische Dame in Köln – Frau Levy, hat ihren Mann vor 1 Jahr verloren. Sie will ihm einen Stein setzen. Da aber nach jüdischer Vorschrift nichts Figürliches auf Grabstein darf, höchstens Hände, sollen 4 sich fassende Hände auf den Stein – die will sie von mir gemacht haben. Ich habe gern zugesagt u. freu mich auf die Arbeit.
Im Juli will ich sie machen …«

Käthe Kollwitz, Brief an Erna Krüger, 11. Mai 1938

Käthe Kollwitz, Einander ergreifende Hände, 1938, Schwarze Kreide auf braunem Ingres-Papier, NT 1269, Kupferstichkabinett Berlin
Käthe Kollwitz, Einander ergreifende Hände, 1938, Schwarze Kreide auf braunem Ingres-Papier, NT 1269, Kupferstichkabinett Berlin 

Die Motivwahl lässt sich nicht allein mit den Vorgaben der jüdischen Tradition begründen, schließlich spielen Hände im gesamten Werk von Käthe Kollwitz eine bedeutsame Rolle als Spiegel von Emotion und innerer Gefühlslage. In mehreren zeichnerischen Versionen nähert sich Kollwitz langsam der endgültigen Fassung und fertigt zunächst ein Ton-, später ein Gipsmodell an.

Von dem Steinmetz Friedrich Bursch wird Letzteres in Marmor übertragen. Bei dieser Ausgestaltung steigert sich der Ausdruck: die Adern auf der vorderen Hand treten nun deutlich hervor und verleihen dem Werk einen überaus lebendigen Charakter. Zu sehen ist ein intimer Moment des Haltgebens und gleichzeitigen Abschiednehmens.

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Ich habe sehr gern daran  gearbeitet und gehofft, daß das unlösbare Zusammengehörigkeitsgefühl wirklich ausgedrückt ist.«
Käthe Kollwitz, Brief an Doris Levy, 30. Juni 1939

EIN ZEICHEN ALLGEMEINER MENSCHLICHER SOLIDARITÄT

Angesichts der Tatsache, dass das Grabmal während der NS-Zeit für ein jüdisches Ehepaar entstanden ist, erscheinen die sich fassenden Hände nicht allein als intimes Symbol der Liebe zweier Eheleute, sondern auch als ein allgemeingültiges Zeichen menschlicher Solidarität und Verbundenheit. Käthe Kollwitz äußert ihr Mitgefühl mit der jüdischen Bevölkerung in einem Brief an Doris Levy nach dem Pogrom vom 9. November 1938.

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Ich habe wiederholt an Sie gedacht, liebe Frau Levy,
nicht nur zur Grabstätte gingen meine Gedanken, sondern zu Ihnen.
Glauben Sie mir, wir litten alle gemeinsam und tief. Schmerz und Scham fühlen wir. Und Empörung.«

Käthe Kollwitz, Brief an Doris Levy, 15. Dezember 1938

Die beiden Söhne des Ehepaars Levy, Henry und Helmut, werden Ende 1938 mit einem der Kindertransporte nach Großbritannien in Sicherheit gebracht. Doris Levy und Tochter Marlies emigrieren 1939 schließlich ebenfalls dorthin. Doris Levy verstirbt 1981.

Die Inschrift des Grabsteins, die vermutlich nicht von Kollwitz stammt, lautet:
»Ich lernte sehen, was klar ist / ich lernte fühlen, was wahr ist / ich lernte lieben, was rar ist«
FRANZ LEVY 19.01.1892–18.3.1937 
DORIS LEVY 24.9.1892–12.10.1981

JüdischeR Friedhof Köln-Bocklemünd

Der Jüdische Friedhof Köln-Bocklemünd wird am 8. Dezember 1918 als Nachfolger des Jüdischen Friedhofes Köln-Deutz eingeweiht und wird bis heute als Begräbnisstätte genutzt. Die Anlage wurde von dem Kölner Architekten Karl Bing entworfen, Friedhofsgebäude und Trauerhalle schuf Robert Stern in den Jahren 1927 bis 1929 im neoklassizistischen Still.

Adresse:

Jüdischer Friedhof Köln-Bocklemünd
Venloer Str. 1152
50829 Köln

Standort:
Flur 1a, Grabstelle 60/61

Öffnungszeiten:
1. April bis 31. Oktober
Sonntag und an gesetzlichen Feiertagen   9.30 – 18 Uhr
Montag bis Donnerstag   8.30 – 18 Uhr
Freitags und vor Hohen jüd. Feiertagen   9.30 – 14 Uhr

1. November bis 31. März
Sonntag und an gesetzlichen Feiertagen   9.30 – 17 Uhr
Montag bis Donnerstag   8.30 – 17 Uhr
Freitags und vor Hohen jüd. Feiertagen   9.30 – 14 Uhr

Bitte beachten Sie:
Am Schabbat (samstags) und an Hohen Jüdischen Feiertagen ist der Friedhof geschlossen.
An den Vorabenden von Schabbat (freitags) und der Hohen Jüdischen Feiertage schließt er um 14 Uhr.

Besuchsregeln und weitere Informationen

Adresse

Käthe Kollwitz Museum Köln

Neumarkt 18-24 / Neumarkt Passage

50667 Köln

+49 (0)221 227 2899

+49 (0)221 227 2602

Öffnungszeiten

Di bis So

11 - 18 Uhr

Feiertage

11 - 18 Uhr

Erster Do im Monat

11 - 20 Uhr

Montags

geschlossen

Bitte beachten Sie

Die Ausstellungsräume des Käthe Kollwitz Museum Köln bleiben wegen umfangreicher Baumaßnahmen vorübergehend geschlossen.

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